1,6km Verkehrswende?

Zum Jahresende 2020 ist der letzte Baustein der Fahrradstraße Weigandufer-Pflügerstraße fertiggestellt worden. An der Kreuzung mit der Wildenbruchstraße gibt es nun einen Zebrastreifen (FGÜ- Fußgängerüberweg) und eine Mittelinsel als Querungshilfe für Radfahrende. Zusammen mit dem modalen Filter am Wildenbruchplatz, der durchgehenden Vorfahrt und der Einbahnstraßenregelung ist in Teilen eine Fahrradstraße entstanden, die ihren Namen verdient. Besonders im Bereich des Wildenbruchparks wird der Gewinn von Rad- und Fußverkehrsförderung für mehr Aufenthaltsqualität offensichtlich. Im Bereich Pflügerstraße wird aber deutlich, dass die Luft schnell wieder raus ist.

Zwischen Vorbildcharakter und fehlender Konsequenz

Martin Hikel, Bezirksbürgermeister und Stadtrat für Verkehr, sieht im Zusammenhang mit der Fahrradstraße „1,6 Kilometer Verkehrswende geschafft“

Abgesehen davon, dass sich Verkehrswende natürlich nicht allein in Kilometer Radinfrastruktur messen lässt, sehen wir auf den 1,6km (und darüber hinaus) deutliche Unzulänglichkeiten und Verbesserungspotenzial auf dieser wichtigen Radachse. Wir schauen uns das Ergebnis anhand von vier Abschnitten an.

In der Mitte Top – Anfang und Ende Flop. Weigandufer/Pflügerstraße zwischen Teupitzer Brücke und Pannierstraße

→ Teupitzer Brücke bis Treptower Straße

Im Süden beginnt die Straße „Weigandufer“ an der Teupitzer Brücke – bis zur Treptower Straße allerdings nicht als Fahrradstraße. Damit beginnt bzw. endet die Fahrradstraße im Süden abrupt im “nirgendwo”. Die Verbindung zur Durchfahrt am Fernheizkraftwerk, Ederstraße und zur frisch asphaltierten Braunschweiger Straße als sinnvolle Radroute fehlt.

Lücke in der Fahrradstraße – Platz für Gerümpel und Kfz-Schleichverkehr dominieren

Ein Fußgängerüberweg/Querungshilfe an der Treptower Straße, reparierter Asphalt und modale Filter zur Unterbindung des Kfz-Schleichverkehrs machen auch aus diesem Stück eine qualitativ hochwertige Radinfrastruktur. Bis es soweit ist, klafft auf diesem Abschnitt der wichtigen Nord-Süd-Achse eine unsichere Lücke.

→ Treptower Straße bis Wildenbruchstraße

Auf diesem Abschnitt wurden viele Elemente umgesetzt, die eine echte Fahrradstraße ausmachen. Die Einbahnstraßenregelung zwischen Innstraße und Rossegerstraße und der modale Filter am Wildenbruchpark verhindern, dass Kfz die Fahrradstraße als Schleichweg nutzen. Neben den geringeren Kfz-Geschwindigkeiten wird so auch die Kfz-Menge auf der Fahrradstraße wirksam gesenkt. Dabei gilt, je weniger Kfz- desto besser. Besonders sichtbar wird das ab der Innstraße. Poller verhindern hier komplett die Durchfahrt von Kfz. Mit neuen Sitzmöglichkeiten, mehr Gehwegflächen und keinen parkenden Fahrzeugen gewinnt dieser Abschnitt sowohl städtebaulich wie auch verkehrlich. Auch zwischen Treptower Straße und Innstraße sollte das Parken zu Lasten der Gehwege kurzfristig abgeschafft werden.

Radfahrerin auf der Fahrradstraße Weigandufer
Weigandufer am Wildenbruchpark
Weigandufer vor dem Umabu
Vor dem Umbau am Weigandufer/Wildenbruckpark ©Christian Meier

→ Kreuzung Wildenbruchstraße bis Fuldastraße

Auch die neu gestaltete Kreuzung mit der Wildenbruchstraße verbessert die Situation fürs Radfahren aber auch zu Fuß gehen deutlich. Mit der neuen Mittelinsel und dem Fußgängerüberweg kann die Wildenbruchstraße einfacher gequert werden. Zudem ist die Mittelinsel und die anschließende Einbahnstraßenregelung bis Elbestraße ein weiteres zentrales Element (baulich bzw. straßenverkehrsbehördlich wirksam) gegen Kfz-Durchfahrtsverkehr. Bis zur Fuldastraße lässt sich weiter gut Radfahren. Der neugestaltete Uferbereich und die echte Fahrradstraße funktionieren zusammen gut.

Neue Querungshilfe mit „Zebrastreifen“. Auch auf der Treptower Straße wird so ein Aufbau dringend benötigt

→ Fuldastraße bis Pannierstraße

Ab der Fuldastraße sinkt die Qualität der Fahrradstraße schlagartig und reiht sich damit in die vielen anderen Fahrradstraßen Berlins ein. Seit der Eröffnung der Fahrradstraße durch Herrn Hikel in 2018 hat sich die Problematik an diesem Abschnitt nicht verändert. Einzelne „Fahrradstraßen“-Piktogramme und Blechschilder sorgen dafür, dass der Bezirk den Abschnitt zwar in die Radwege-Statistik aufnehmen kann, eine attraktive und inklusive Radinfrastruktur ist jedoch nicht entstanden. Neben nervigem warten hinter langen Autoschlangen gibt es auch täglich einschüchternde und gefährliche Situationen, die durch die mangelnde Gestaltung der Fahrradstraße (Der berlinweite Leitfaden zur Gestaltunge von Fahrradstraßen sollte unbedingt nachträglich angewendet werden) sowie zugelassene Schleichwegverkehre provoziert werden. Folge ist, dass viele Menschen auf den Gehweg ausweichen. Besonders ärgerlich, dieser Abschnitt befindet sich direkt am Rütli-Campus, Sportplätzen und Kita. Eine Einbahnstraßenregelung, modale Filter wie im südlichen Teil des Weigandufers können hier kurzfristig Abhilfe schaffen.

„Fahrradstraße“ Pflügerstraße ©JörgWeiss, @jjjweiss

FAZIT

Sowohl im Norden als auch im Süden verliert die Fahrradstraße den Anschluss und verkommt zum üblichen beschilderten Feigenblatt für die Radwegebau-Statistik. Um die Probleme an diesen Stellen zu beheben, können die Elemente vom Abschnitt am Wildenbruchpark übernommen werden – hier hat die Fahrradstraße Vorbildcharakter!

1 comment on “1,6km Verkehrswende?”

  1. Heiner Schumacher Antworten

    Ebenfalls ist der Bereich Treptower Str bis Rosseger immernoch gerne benutzte Umfahrung um dann über die Rosseger bis zur Sonnenallee zu fahren.
    Auch dieser illegale Durchgangsverkehr muss unterbunden werden.

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